Ein Manuskript in 6 Wochen – ein Erfahrungsbericht

Es ist Sommer 2018, Jana und ich steuern gerade mit riesen Schritten auf das Abitur zu und ich habe eine wahnsinnig dumme Idee: Ich möchte meine letzten Sommerferien dazu nutzen, ein Manuskript zu schreiben. Ein ganzes. Dabei habe ich nicht einmal einen groben Plot, sondern nur einen liebenswerten Chaoten von Protagonisten im Kopf: Charly.

Das hier ist keine perfekte Anleitung, es ist ein Beispiel, geschrieben 2 Jahre nach dem eigentlichen Projekt, weil mich das ganze so lange schon nicht mehr loslässt. Charly war und ist für mich ein einzigartiges Projekt. Ich kann ihn mit keinem meiner anderen Manuskripte vergleichen und habe etwas Vergleichbares seitdem nicht mehr geschafft. Um fair zu sein, ich habe es auch nicht noch einmal versucht.

Die Grundvoraussetzung

Als ich anfing, hatte ich Charly. Er war eine abstrakte Person in meinem Kopf und ich wusste noch nicht so recht, was seine Geschichte sein würde. Außerdem hatte ich ein leeres Dokument, Kapitelüberschriften und den Gedanken am Ende mit 50 000 Wörtern dastehen zu wollen. Die Kapitel hatte ich zumindest untergliedert in 5 Teile, jedes Kapitel sollte ca. 1500 Wörter haben (Wer Mathe kann, darf sich gerne die Gesamtzahl ausrechnen).

Viel mehr hatte ich nicht. Nur eines noch: Ich hatte Zeit und davon 6 Wochen. Das war die wohl wichtigste Voraussetzung für das ganze Projekt. Wenn nicht Sommerferien gewesen wären, wenn nicht ohnehin alle anderen im Urlaub gewesen wären, ich weiß nicht, ob ich es geschafft hätte. Deswegen möchte ich vorab noch eines sagen: Man muss nicht 1500 Wörter am Tag schreiben. Ich habe schon Manuskripte beendet für deren Erstentwurf habe ich drei Jahre gebraucht. Aber es funktioniert eben auch kompakter, wenn die Voraussetzungen stimmen

Die Regeln

Ich kenne mich, damals wie heute. Ich wusste, wenn ich einen Tag aussetze, dann vielleicht auch einen zweiten, einen dritten und dann wäre es vorbei. Also galt die Regel: verpasste Tage müssen nachgehholt werden. Ich weiß nicht, wieso das funktioniert hat. Manchmal hatte ich drei Tage keinen Kopf für das Manuskript und anstatt zu denken „7 500 Wörter, das schaffe ich doch eh nie“, fachte mich genau das an.

Es war zwar keine Regel, aber ich versuchte immer morgens und abends zu schreiben, so waren es dann nur noch 750 Wörter pro Schreibsession und das erschien einfacher. Das ging an guten Tagen in unter einer Stunde

Das Gutschreiben von zu viel Geschriebenen Wörtern habe ich mir zu Anfang nicht, später dann ob Zeitmangels gestattet.

Die ersten Tage

Wenn ich ein Manuskript anfange, dann bin ich immer unfassbar verliebt. Am Liebsten möchte ich alle Schlüsselszenen direkt und ausführlich aufschreiben und am Ende fehlt mir die Lust für die notwendige Flickarbeit.

Ich wusste aber nicht, wo Charly mich hinführte. Das bedeutete, das ich logischerweise einfach ganz vorne anfing und schrieb. Wenn mir eine Idee für den Mittelteil kam, sprang ich. In den ersten Tagen noch zögerlich, später immer freier einfach vier Kapitel nach vorne oder zwei zurück.

Das war am Anfang nicht einfach, weil ich nicht wusste wie viel Platz ich zwischen den Kapiteln brauchen würde, um die Story an den richtigen Punkt zu bekommen, aber es sorgte dafür, dass ich jeden Tag brav an meinem Schreibtisch saß und in zwei Stunden die richtige Anzahl zufriedenstellender Wörter auf Papier hatte.

Um ehrlich zu sein, glaubte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht daran, mit meinem Projekt Erfolg zu haben.

Der Mittelteil

Ich stand bei der Arbeit und ich dachte an Charly. Ich stand auf und dachte an Charly. Ich lebte und atmete und dachte für dieses Projekt. Jeden Morgen hatte ich neue Ideen und jeden Abend fielen mir die Augen vor dem Laptop zu. Klingt fantastisch. Stimmt aber.

Tatsache ist aber auch, dass ich ständig hinterher war. In der letzten Nacht der vierten Ferienwoche, der Nacht vor unserem Urlaub schrieb ich aus purer Aufholverzweiflung 9 000 Wörter und hatte schon nach den ersten Sätzen keine Lust mehr. Aber das war das Gute an den Wortgrenzen. Ich wusste: Heute muss ich nur noch. Es gab genug Lücken zu füllen, ich ließ mir Dinge einfallen. Ich kam durch.

Es wurde Zeitaufwändiger. Es gab immer noch Tage, an denen ich in zwei Stunden mit dem Tagessatz durch war, aber die nahm ich mir nun lieber frei, als Vorsprung aufzubauen.

Manchmal löschte ich lange Passagen und das fühlte sich dann immer an wie Verlieren. Das war auch eine der größten Schattenseiten des Experiments. Gerade in dieser Zeit hielt es mich von radikalen Umbrüchen ab, weil sie so viel Mehraufwand bedeutet hätten. Das Schöne war, dass Charly die kaum zu brauchen schien, weil er stetig und wie ein Puzzle entstand. Ich hatte die Infos beinahe alle noch aus den letzten Wochen im Kopf und konnte in den Zwischenstehen logisch wichtige Brücken schlagen, weil ich sie nicht direkt geschrieben hatte.

Der Endspurt

Und dann kam der Urlaub. Ich glaube, hier war ich nur drei Wörter vom Aufgeben entfernt. Mit Strand vor der Nase fehlte mir plötzlich jede Motivation und mit dem Tagesrhythmus von Familien mit Kindern dann auch die Zeit. Ich weiß noch, dass ich an einem Abend vor unserem Bungalow saß und verzweifelt versuchte 6 000 Wörter in die eine Stunde vor dem Abendessen zu quetschen. Natürlich hat das nicht gereicht.

Gleichzeitig aber näherte ich mich endlich, endlich dem lang ersehnten Ende. Ich begnügte mich mit ein paar um einige Worte zu kurze Kapitel und als wir wieder zuhause waren schrieb ich in einer Nacht das komplette Ende des Manuskripts in einem, obwohl ich dafür noch viel mehr Zeit gehabt hätte.

Fazit

Man muss kein Mathe-Genie sein, um zu wissen, dass das nicht so ganz hinhaut, weil 33 Tage, die es nach meinen Regeln hätte brauchen sollen, eben keine 6 Wochen sind. Wenn wir ehrlich sind, waren es am Ende auch eher acht als sechs Wochen, denn irgendwann innerhalb des Urlaubs gab ich mir kurzfristig frei.

Aber es ist doch eine faszinierende Erfahrung gewesen und nimmt die Angst vor diesem riesen Manuskript. Zwei bis drei Stunden pro Tag können in einem Monat zu einem Manuskript führen, eine halbe mit ein bisschen Glück in drei. Das sind keine utopischen Zahlen, das kann man schaffen. Das können wir schaffen.

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