Krankenhaus. Corona. Kunst – Laura Necker im Interview

Laura ist 20 Jahre jung und künstlerisch kreativ auf viele verschiedene Arten, stolpert aber seit 2018 besonders häufig und gerne auf Poetry-Slam-Bühnen. Neben Yoga ist Wortakrobatik ihr Lieblingssport – um das Unaussprechliche in Worten einzufangen, muss man fit sein!

Und schon geimpft?
Selbstverständlich ja. Schon zweimal und schon seit zwei Monaten.

Was ist deine beste Antwort auf nervige Impfgegner:innen-Fragen?
Ich sag dann immer: Ja, ich habe mich auch schon gefreut, aber leider kann ich immer noch nicht ohne Karte Geld abheben und habe auch noch keinen dritten Arm.
Kritisch zu sein, abwarten zu wollen und Angst zu haben finde ich aber nachvollziehbar. Impfen sollte auch eine persönliche Entscheidung bleiben. Ich lege dennoch nahe, sich möglichst wissenschaftlich und vorurteilsfrei mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Gute Antwort. Jetzt erstmal hi, danke für deine Zeit. Fangen wir mit einer kniffligen Frage an: Wie würdest du dich in drei Worten beschreiben?
Oh man… nein

Das sind schon drei – noch ein Versuch?
Neugierig, mitühlend, offen. Das ist aber auch eine fiese Frage.

Und hast du heute schon geschrieben?
Ne, aber ganz viel gelesen.

Was genau machst du denn beruflich? Und wie sieht dein Alltag während Corona aus?
Ich mache eine Ausbildung zur Pflegefachfrau. Ich finde Krankenschwester aber immer noch das schönere Wort, weil es auf Augenhöhe ist. Pflegen ist zwar Teil der Tätigkeit, klingt aber für mich als sähe man sich über den Patient:innen.
In den letzten zwei Monaten hatte ich Online-Unterricht, da besteht mein Alltag daraus von 8 – 15 Uhr vor dem Computer zu sitzen. Während der Praxisphase ist das je nach Früh- oder Spätschicht unterschiedlich, entweder ich fang um 6 Uhr an oder bin um halb 10 fertig. Da ich erst im September angefangen habe, fehlt mir der Vergleich zu Vor-Corona. Ich schätze, der Alltag ist der normale Krankenhausalltag: Schichtübergabe, Durchgänge, Vitalwerte erfassen, Grund- und Behandlungspflege, Essen anreichen und eventuell eingeben, Visite, Untersuchungen und alles, was so dazukommt. Durch Corona hat sich vor allem verändert, dass alles sehr viel isolierter passiert. Im Dezember und Januar ist auch bei uns in der Klinik immer wieder Corona ausgebrochen. Wir müssen deswegen 8 Stunden durchgängig FFP 2 Maske tragen und wenn wir bei den Patienten waren, gab es zusätzlich noch Schutzvisiere und -anzüge – unter denen man übrigens sehr doll schwitzt.
Man ist weiter weg von den Patienten dadurch. Es fehlt Zeit für die zwischenmenschliche Interaktion, weil das An- und Ablegen der Schutzkleidung viel Zeit braucht. Alle waren und sind von der Situation sehr gestresst. Auch Pflegekräfte und Ärzte sind immer wieder erkrankt.

Ich glaube, ich spreche für alle, wenn ich dir für deinen Einsatz in dieser schwierigen Zeit danke. Hast du denn eine Form von Ausgleich, wenn du nachhause kommst?
Alles, was mit Kreativität zu tun hat. Ich schreibe, zeichne auch gerne und habe jetzt eine Tätowiermaschine. Ansonsten alles was Kreativität, die Natur und Bewegung beinhaltet.

Über das Schreiben haben wir uns ja auch kennengelernt. Wie bist du denn dazu gekommen?
Als ich gelernt habe zu schreiben, habe ich auch angefangen zu schreiben. Egal, ob Tagebucheinträge, Poetry Slam Texte, Gedichte, andere literarische Gattungen – ich mache das, seit ich denken kann. Dann bin ich irgendwann auf eine Bühne gestolpert.

Das war bei mir ähnlich – und jetzt fehlt das ja schon ziemlich lange. Was vermisst du denn am Meisten am Auftreten?
Natürlich den Backstage Bereich, die Gespräche und die Menschen, die man kennenlernt und wiedersieht. Das fehlt mir sehr stark. Und dass ich wildfremde Menschen mit meinen Gedanken berühren kann. Dass sind beides sehr, sehr schöne Dinge.

Ich fühls. Was schreibst du denn so? Also was für eine Art Texte?
Im Wesentlichen schreibe ich eigentlich alles auf was mir in den Kopf kommt. Ich habe da kein wirkliches Konzept – irgendwas zwischen Prosa und Lyrik – relativ ungeschliffene Gedanken einfach.

Hat sich dein Schreiben während Corona verändert? Hast du überhaupt noch Zeit dazu?
Zeit haben viele glaube ich mehr als sonst. Ich würde zwar gerne sagen, dass das Schreiben mir einen Ausgleich bringt, aber ich habe schon gemerkt, dass meine Kreativität in den Wintermonaten gelitten hat. Da habe ich zwei Monate gar nichts Kreatives gemacht, weil ich, wenn ich nachhause kam, kaput  war. Ich habe absolut niemanden gesehen, weil ich jeden Tag auf der Arbeit mit jemandem Kontakt hatte, der danach Corona positiv war. Ich hatte keine Ideen und war damit beschäftigt, durchzukommen. Mittlerweile schreibe ich mehr, das liegt glaube ich am Abstand zur Klinik, den ich während der Schulzeit habe, und daran, dass das Wetter besser geworden ist. Mit den Pflanzen blüht im Frühling auch meine Kreativität auf!

Wenn du einen Text schreiben würdest über deine Arbeit im Krankenhaus – wer wäre der Bösewicht?
Der Kapitalismus, eindeutig.

Spannende Antwort und wieso?
Eigentlich liegt es auf der Hand: Es ist verwerflich, die Behandlung von hilfsbedürftigen Menschen an eine Gewinnspanne zu koppeln. Dass ein Krankenhaus Gewinn erwirtschaften muss, ist für mich die Hauptursache für das, was bei uns alles so schiefläuft. Das System verursacht, dass immer weniger Leute in der Pflege arbeiten. Mein Freund ist auch Krankenpfleger und er ist nachts für bis zu 20 Patienten alleine zuständig – das ist einfach menschenunwürdig. Man muss ständig priorisieren, weil man so wenig Zeit hat und man kann den Menschen einfach nicht gerecht werden. Man kann sich selten einfach hinsetzen und den Patienten zuhören. Das bringt keinen Gewinn, deswegen ist es kaum vorgesehen, obwohl es so wichtig wäre.

Und wer wäre der Held?
Ich glaube, der Held wären alle pflegenden Angehörigen.

Pflegende Angehörige im Sinne von zuhause pflegend oder wie meinst du das?
Genau, zuhause pflegende Angehörige. Die meisten pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden immer noch zuhause betreut. Das Pflegesystem ist momentan schon an seiner Belastungsgrenze. Wenn es die 2,5 Millionen pflegende Angehörigen nicht gäbe, würde das ganze System zusammenbrechen. Und sie haben noch schwierigere Bedingungen als wir im Krankenhaus im Moment.

Da gebe ich dir auf jeden Fall recht! Zum Abschluss wüsste ich noch gerne: was ist dein absoluter Pandemie-Super Tipp?
Ich glaube, den hat leider keiner. Es reicht schon, wenn wir es schaffen uns da irgendwie durchzumanövrieren, ohne uns selber oder andere krank zu machen, egal ob mit Corona oder psychisch.

Möchtest du zum Abschluss noch etwas loswerden?
Es ist schön, wenn man es schafft, sich durch Kreativität momentan einen Ausgleich zu schaffen, aber es ist auch völlig okay mal zuhause zu liegen und zu verzweifeln. Wir sollten nicht vergessen, wie gut es uns im Vergleich zu manchen anderen geht und das meine ich kollektiv für alle Menschen, die in diesem Land leben. Aber niemand sollte erwarten, dass alle einfach so weitermachen wie bisher.

Ich würde mir wünschen, dass mehr auf die Wissenschaft gehört wird. Dass ich mir nicht nahezu täglich erzählen lassen muss, dass Corona doch nur wie die Grippe ist, obwohl ich weiß, wie es ist in einem Krankenhaus zu arbeiten das sieben Corona-Stationen und eine volle Intensivstation hat.

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